Der Samowar | Video

In meiner Familie spielt ein Samowar eine große Rolle: meine Urgroßeltern hatten ihn in den 20er Jahren ihrem ältesten Sohn Oskar und seiner Frau Edith zur Hochzeit geschenkt. Auf der Zugfahrt von Kaunas nach Klaipeda vergaßen sie ihn im Zug.

Der Samowar, 2007

 

Samowar

 

In meiner Familie spielt ein Samowar eine große Rolle: der, den meine Urgroßeltern in den 20er Jahren ihrem ältesten Sohn Oskar und seiner Frau Edith zur Hochzeit geschenkt hatten.

Auf der Zugfahrt zur Hochzeitsfeier von Kaunas nach Klaipeda vergaßen sie den Samowar im Zug. Da mein Urgroßvater aber die Marotte hatte, die  Nummer jedes Zuges zu notieren, erhielten sie den Samowar unbeschadet zurück.

Edith und Oskar gelang es bei ihrer Umsiedlung den Samowar nach Deutschland zu bringen. Nachdem Oskar 1973 gestorben war, versuchte mein Großvater seine kinderlose Schwägerin Edith davon zu überzeugen, den Samowar seinen eigenen Kindern zu vererben. (Ton)

Als ich 2005 auf meiner Litauenreise in der Wohnung meines verschwundenen Onkels Georg in Vilnius stand, fand ich eine Samowar – Sammlung. Alle dort hatten sich sehr gewundert, dass mein Onkel diesen „wertlosen Schrott“ gesammelt hatte. (Bild unten)

 

Opa: „Wie ist mit dem Samowar, jetzt?“
Edith: „Ja, jetzt… ich will ja de Samowar hergeben. Ich hab an die Irma das meiste Vertrauen von wegen Halten.“
Opa: (in feierlichem, sehr bestimmendem Ton) „Den Samowar behält der Adi, wie wir das schon besprochen haben und Du bist ja auch einverstanden. Ich glaube nicht, dass die anderen n’ großen Wert drauf legen, den Samowar zu haben. Damit wär das Kapitel erledigt.“ (man hört Knacken der Stop-Taste des Kassettenrekorders). „Ruhig. Hörst Du gut?“ (man hört wieder eine Taste des Kassettenrekorders) „Den Samowar wird der Adi in Ehren halten und wir werden ihm ein Schildchen drauf machen, da steht: ‚Von unserem Bruder Oskar und Edith das Hochzeitsgeschenk, das in höchsten Ehren. Und wird die Tradition fortgesetzt.’“ (man hört Knacken der Stop-Taste des Kassettenrekorders) „Jetzt hör mein Vorschlag“(man hört wieder eine Taste des Kassettenrekorders) „Und der Adi mit seinen Kindern, trotzdem, dass er die Mädchen hat – aber die Tradition wird ja fortgeführt, das musst Du ja auch verstehen“ (man hört Knacken der Stop-Taste des Kassettenrekorders). „Was wer’n die mit Samowar machen? Der Manfred…“
Edith: „Hör mal“
Opa: „Schschsch! Der Manfred, das ist ein Patenkind von Oskar.“
Edith: „ja“
Opa: „Wenn er den Samowar bekommt,“
Edith: „ja“
Opa: „er will gerne bezahlen und das Geld an Irmgard schicken“
Opa: „ja – und das bleibt für Adolf, nicht wahr? So haben wir das besprochen.“ (man hört Knacken der Stop-Taste des Kassettenrekorders).
Edith: „Ich will, das soll bleiben als Familie – weißt Du, was das ist, Familienerbstück, ja?“
Opa: „Meinetwegen, machst mit dem Samowar was..“
Edith: „Nein, nein! Ich will, äh, mit Dir…“ (man hört eine Taste des Kassettenrekorders)
Opa: „Wenn ich sagen würde, für meinen Jungen Adolf, der wird die Tradition weiterführen.“ (man hört Knacken der Stop-Taste des Kassettenrekorders). „Für den Manfred.“
Edith: „ja“
Opa: „Und wir werden sagen, Manfred, was ist dir das wert, den Betrag schicken wir Irmgard“
Edith: „nein, nein, nein“
Opa: „Der Samowar bleibt hier“
Edith: „ja“
Opa: „ Wenn Du willst…“
Edith: „ja, vergiß nicht, vergiß nicht das Patenkind!“
Opa: „ Wenn Du willst das dem Patenkind geben..“
Edith: „Ich will es als, wie sagt man… Familienerbstück geben, weiter nichts“
Opa: „Oh, der Uli ist ein guter Junge, er ist traditionsbewußt“
Edith: „Er ist nicht ein Ammon-Schlag“
Opa: „Nu, kannste nicht sagen!“
Edith: „Jetzt sag mal, Du hattest zwei Jungens, der, der Dings hatte zwei Jungens, der hat jetzt drei Mädels, der hat zwei Mädels…“
Opa: „Es ist jetzt so’ne Zeit, wo nur Mädels kommen.“
Edith: „ja ich mein’, was willst mit n’Jungens (lacht), wenn’s wenigstens so’, Meschinés möcht’s sein, einmal, nur einer so, n’ Trottelchen ankleben“ (lacht)
Opa: „Ich weiß nicht was…“ (seufzt leise) “da kannst nichts machen!“
Edith: „hör mal, jetzt will ich erstmal fragen: Wie ist es mit dem Essen?“

Edith verfügte, dass Irmgard (ihre Schwägerin, Opas Schwester) in den USA den Samowar bekommen sollte. Er steht nun in New Jersey.

 

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