Witkiewicz

1986 fuhr ich zum ersten mal nach Polen. Bei dem Unterfangen den damals üblichen „Zwangsumtausch“ sinnvoll zu investieren, fand ich auf dem Krakauer Rynek in einer Buchhandlung den Fotoband „Przeciw Nicości“ (Gegen das Nichts) mit Arbeiten des polnischen Künstlers Witkiewicz.

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If I was Witkiewicz – Autoportret w lustrach (1915-1917) [Selbstporträt mit Spiegeln], 2007, Digitaldruck auf Aludibond 140 x 80 cm

1986 fuhr ich mit einer kirchlich organisierten Jugendgruppe erstmals nach Krakow, Polen. Bei dem Unterfangen den damals üblichen „Zwangsumtausch“ sinnvoll zu investieren, fand ich auf dem Rynek in einer Buchhandlung den Fotoband „Przeciw Nicości“ (Gegen das Nichts) über den polnischen Künstler Witkiewicz (1885 -1939). Der Titel, die Fotografien und die Biografie Stanisław Ignacy Witkiewiecs zogen mich damals in ihren Bann und haben mich nicht wieder losgelassen.

Sein Selbstporträt „Selbstporträt mit Spiegeln“, das er 1915 vermutlich in Russland in einem damals auf den Rummelplätzen der Welt verbreiteten Fotostudio mit dieser Spiegelanordnung (die nur aus zwei im Winkel zueinander gestellten Spiegeln besteht) von sich hat machen lassen, markiert in seiner Biografie den Moment der Entscheidung für eine Laufbahn als freier Künstler. Zwar war er in einem sehr liberalen und unabhängigen Künstlerhaushalt in Galizien (Polen) augewachsen, doch hatte er sich zunächst (nach einem abgebrochenen Kunststudium an der Akademie in Krakow und einer abgebrochenen Reise nach Australien) freiwillig als Soldat in der zaristischen Armee verdingt.

Der in Deutschland nicht sehr bekannte Stanisław Ignacy Witkiewicz gehört als zentrale Figur der polnischen Avantgarde zu den vielseitigsten und schöpferischsten europäischen Künstlern des 20. Jahrhunderts. Er befasste sich mit so unterschiedlichen Bereichen wie Zeichnung, Malerei, Theater, Literatur, Philosophie, Kunsttheorie und Photographie.

Das  Spiegelporträt, das ihn noch in Uniform in Kontemplation mit sich selbst zu zeigen scheint, hat auf mich einen so tiefen Eindruck hinterlassen, dass ich es Jahre nach meinem eigenen Studium nachgestellt habe.

Meine Nachstellung wurde 2009 von dem polnischen Witkiewicz-Experten Marek Średniawa auf einem Kongress und 2013 in der Publikation „Witkacy: bliski czy daleki“ vorgestellt.