Sicht Verhältnisse

Wenn wir immer nur sähen, was wir dächten oder immer nur dächten, was wir sehen, was wäre dann anders als jetzt?
Vermutlich denken wir mehr als daß wir sehen und spüren auch weniger, weil wir zu viel wissen über alles.

Wenn wir immer nur sähen, was wir dächten oder immer nur dächten, was wir sehen, was wäre dann anders als jetzt? Vermutlich denken wir mehr als daß wir wirklich sehen und spüren auch weniger, weil wir zuviel wissen müssen über alles. Wenn es aber auch so unübersichtlich ist in dieser Welt – und das trotz der glücklicherweise erheblich eingeschränkten menschlichen Fähigkeit zur Wahrnehmung – was soll man da noch sehen? Ist eine Abstraktion vielschichtiger als eine ungefilterte Wiedergabe?

Wenn man in einen Bildraum sieht, der mittels Zentralperspektive geometrisch konstruiert ist, dann ist das zu Sehende für den Blick vom Nullpunkt aus, also außerhalb des Bildes, geschaffen.

Ein geometrisches Ornament wie man es u.a. in der islamischen Welt aber auch in der westlichen Kunst, Architektur und Design findet, bietet dem Betrachter keine Zentralperspektive, die ihn in das Bildwerk mit einbindet und sogar auf seinen Blick hin konstruiert ist. Was bedeutet es für den Blick, wenn der Betrachter alles Gesehene auf sich (als Nullpunkt der Raumachsen der Zentralperspektive) bezieht, im Gegensatz zu dem Blick, der vor einem Ornament schweift, von einem ornamentalen Raster im Raum aufgehalten wird und sich dann dem „dahinter“ zuwenden kann?

Kann man Bilder machen, ohne den Blick eines Betrachters? Was passiert, wenn ein Raum ohne Mitte, ohne Zentrum auskommt, wenn nicht alles auf einen Punkt hinausläuft, der Hintergrund vielleicht doch im Vordergrund steht und das Ornament ein Rahmen ist, das sich am Rand entfaltet? Merkt man dann wie der Blick sich den Raum erschließt? Wie wird ein Raum erstellt? Und wenn man spüren könnte, wie man schaut, verstünde man die Welt dann anders?
Stefka Ammon hat Veronike Hinsberg und Juliane Laitzsch zu dem Experiment eingeladen bei Stedefreund einen Raum zu schaffen, der es ermöglicht sich diesen Gedanken auszusetzen.

Text: Stefka Ammon

 

Installationsansicht, Sicht Verhältnisse, mit Veronike Hinsberg und Juliane Laitzsch, Stedefreund 2010

 

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Installationsansicht, Sicht Verhältnisse, Stedefreund 2010

 

Installationsansicht, Sicht Verhältnisse, Oriental Gaze, 2009, Plexiglas, gefräßt, 300 x 200 x 1,5 cm

 

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Installationsansicht, Sicht Verhältnisse, 2010 Stedefreund Berlin

 

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Installationsansicht, Sicht Verhältnisse, Oriental Gaze, 2009, Plexiglas, gefräßt, 300 x 200 x 1,5 cm

 

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Installationsansicht, Sicht Verhältnisse, Stedefreund, Doppelraster [Raster #04 + #09], 2010, Papier, Bleistift, gerahmt, 150 x 70 x 4 cm