Dorothee Elisabeth Tretschlaff

Ein Projekt für das erste festival UM08 in der Uckermark. Die Kuratoren schlugen mir vor, der ländlichen Legende der „letzen Hexe von Brandenburg“ auf den Grund zu gehen. Tatsächlich konnte ich Dokumente finden, die den tragischen Hexenprozess von 1701 belegen.

Vorderseite

 

Projektwebseite: dorothee-elisabeth-tretschlaff.de

Für das festival UM 08 in der Uckermark wurde ich gebeten einen ortspezifischen Beitrag für die plein-air Ausstellung zu entwickeln. Die Organisatoren stießen mich auf die alte Legende von der „letzten Hexe Brandenburgs“, die im Dorf Fergitz verbrannt worden sein sollte.
Ich begann etwas widerständig mit Recherchen, die, je weiter ich mich in der Zeit anhand von Sekundarquellen zurück bewegen konnte, um so spannender wurde.
Entgegen allen Prognosen dazu befragter Historiker gelang es mir mithilfe der Mitarbeiter im Geheimen Preußischen Staatsarchiv die Untersuchung des schon damals zweifelhaften Vorganges von 1701 zu finden. Und hier tauchten nicht nur die Begleitumstände zu Tage, sondern auch der Name des 15 jährigen Opfers.

Für die Ausstellung habe ich ein Behelfsdenkmal gebaut. Die Einwohner von Fergitz fragten, ob es möglich sei ein dauerhaftes Denkmal zu errichten. Dieses Vorhaben ist bisher an der Finanzierung gescheitert.

2010 habe ich in Kooperation mit dem Museum Dominikanerkloster in Prenzlau eine Themenwoche Hexenverfolgung konzipiert und durchgeführt. Alle Vorträge und die Recherchen zum Fergitzer Fall sind im Einzelnen auf der Webseite dorothee-elisabeth-tretschlaff.de nachzulesen.

Um sich diese Geschichte genau anzuschauen, war es zunächst erforderlich die eigenen Vorurteile und das Halbwissen zu hinterfragen. Hexenverfolgung und die weitenteils zivilen Hexen- bzw. Zaubereiprozesse waren die Folge klimatischer, sozio-ökonomischer, teilweise politischer und im seltensten Fall religiös motivierter Krisen, die die Menschen zu Beginn der Neuzeit, also in einer Epoche fundamentaler Umbrüche, ausgeliefert waren. Sie dient erschreckender Weise als Folie für die Erschütterungen der Gegenwart.

 

Behelfsdenkmal Fergitz, 2008, Holz, Farbe, Folie, Fotokopien, Absperrband, Erde

 

Das Behelfsdenkmal enthält eine Grabungsstelle. Laut der Aussage eines Archäologen liegt die Bodenoberfläche von 1701 in dieser dörflichen Umgebung ca. 7 cm unter der heutigen.

 

Behelfsdenkmal Fergitz, 2008, Detail

 

Behelfsdenkmal Fergitz, 2008, (Detail)

Behelfsdenkmal Fergitz, 2008, Detail

 

Behelfsdenkmal Fergitz, 2008, Detail (Rückseite)

 

Behelfsdenkmal Fergitz, 2008, Detail

Behelfsdenkmal Fergitz, 2008, Detail

 

Die gerade fünfzehnjährige Magd Dorothee Elisabeth Tretschlaff wurde 1701 als Hexe verurteilt und in Fergitz in der Uckermark am 17. Februar mit dem Schwert hingerichtet.

Eines der traurigsten Kapitel der Hexenverfolgungen entfaltet sich mit den Kinderhexenprozessen, die im Verlauf des 17. Jahrhunderts deutlich zunahmen. Kinderhexenprozesse richteten sich manchmal gegen die Kinder von bereits als Hexen und Zauberer verurteilten Erwachsenen, manchmal gegen Angehörige von ganzen Kinder- und Gaunerbanden, manchmal gar gegen Kinder und Jugendliche die sich selbst wegen Hexerei bezichtigten. Während in der Frühphase der Hexenverfolgung Kinder und Jugendliche oft glimpflich davon kamen, wurden nach und nach selbst Todesurteile – meist in Form der Gnadenstrafe Enthauptung – üblicher. (…) Welche Steuerungsmechanismen sich hinter den einzelnen Prozessen verbargen, bleibt meist kaum rekonstruierbar.

Im Fall von Dorothee Elisabeth Tretschlaff sind bisher keine Prozessakten auffindbar, sondern lediglich ein Bericht des Hof- und Landrichters der Uckermark Thomas Böttcher, der über die Rechtmäßigkeit des angestrengten Prozesses sowie die übereilten Hinrichtung urteilte.
Dazu war er bereits wenige Tage nach der Enthauptung Dorothee Elisabeth Tretschlaffs durch die Berliner Regierung aufgefordert worden. Allein diese Tatsache zeigt, dass die schnelle Hinrichtung wegen Hexerei am 17. Februar 1701 längst kein unbestrittener Vorgang mehr war. Nicht nur die Landesregierung schenkte der Hinrichtung Aufmerksamkeit, auch in den Gasthäusern und Krügen wurde öffentlich über den Prozess und das Urteil diskutiert.

Thomas Böttcher kritisierte denn auch das Verfahren, da er in der Jugendlichen viel weniger eine gefährliche Hexe als eine melancholische, selbstmordgefährdete junge Frau erblickte, deren Möglichkeiten zur Verteidigung gegen den Hexenprozess nicht genügend berücksichtigt worden waren. Allerdings konnten sich die Verantwortlichen des Verfahrens, der Inhaber der Jurisdiktion Obristleutnant von Münchow sowie der von ihm beauftragte Richter und Fiskal Friedrich Roth, von jedem Verdacht eines regelwidrigen Verfahrens reinigen.

In ganz typischer Weise zeigen die wenigen überlieferten Details den Charakter eines späten Hexenprozesses. Waren im 16. und frühen 17. Jahrhundert zahllose Alltagskonflikte und Schadenszaubertaten für die Hexenprozesse konstitutiv, so blieb der Schadenszauber im Prozess gegen Dorothee Elisabeth Tretschlaff völlig unwichtig. Der Teufel brachte ihr zwar Geld und einen Kürbis zu, eine Schädigung anderer war damit jedoch nicht direkt verknüpft.

Stattdessen dominierten Schilderungen rund um die Buhlschaft mit dem Teufel oder dämonische Erscheinungen, die die Realität des Teufelspaktes zu bekräftigen scheinen. Das Mädchen berichtete wie der Teufel sie mit viel Geld in den Taschen immer wieder aufsuchte und verführte, ihr etwas davon schenkte, ihr bei helllichtem Tage im Beisein anderer beim Fliederpflücken auf der Geige vorspielte. Zur Buhlschaft kam es, als sie gemeinsam mit anderen Mägden krank zu Bett lag. Ganz den theologischen Vorstellungen vom zeugungsunfähigen Teufel entsprechend, floss dabei allerdings kein Samen. Diese Mägde berichteten von einem merkwürdigen Hasen unter dem Bett der Angeklagten, vom Teufel in Gestalt einer Schmeißfliege, der brummend durchs nächtliche Zimmer flog und einem Gespenst.

Immerhin gab es innerhalb des Verfahrens Versuche, die Realität dieser Aussagen zu prüfen. So erzählte das Mädchen, sie habe eine vom Teufel erhaltene Münze in der Wand des alten Wohnhauses versteckt. Das Gericht konnte dieses Geld jedoch nicht finden.
Ob sich mit diesen Aussagen in codierter Form Bezüge zum Alltag und zum Erleben Dorothee Elisabeth Tretschlaffs finden lassen oder ob sie lediglich das verworrene Ergebnis einer rigiden Verhörssituation sind, bleibt angesichts der wenigen Details gänzlich offen. Der Landrichter Thomas Böttcher stellte nicht nur die Melancholie des Mädchens heraus, sondern ebenso ihre Einsamkeit und ihre Verzweiflung. Es gibt eine Reihe von Fällen, in denen genau aus solchen Gründen heraus Selbstbezichtigungen
erfolgten. Die Hintergründe dieses Verhaltens hat Dorothee Elisabeth Tretschlaff jedoch wohl mit in ihr Grab genommen.

Dr. Katrin Moeller

Professur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Historisches Datenzentrum Sachsen-Anhalt, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Dissertation zur Hexenverfolgung im Mecklenburg der Frühen Neuzeit  2000/2001 Konzeption einer Ausstellung zur Hexenverfolgung im Fachmuseum Hexereigeschichte Penzlin; Redakteurin des Fachportals„Hexenforschung“, Mitbegründerin des Arbeitskreises für Norddeutsche Hexen- und Kriminalitätsforschung

siehe auch Dorothee Elisabeth Tretschlaff bei Wikipedia
und: “Vom Kurfürsten zum König. Friedrich III./I. von Brandenburg-Preußen und die Rechtsprechung um 1700″ von Dr. Vinzenz Czech