TKR21 | Entwurf Roedeliusplatz
TKR21 (Traditionskabinett Roedeliusplatz 21) Kunstwettbewerb zur Gestaltung eines Erinnerungs- und Gedenkorts Roedeliusplatz, ausgelobt vom Bezirksamt Lichtenberg, Berlin.
Entwurf Eine offene Betonarchitektur steht an der Schottstraße/ Ecke Normannenstraße. Sie bildet einen starken ästhetischen Kontrast auf dem neu gestalteten Roedeliusplatz. Wie eine vergessene Struktur aus der Vergangenheit, gleich eines Wartehäuschens: ein Ort den man aufsucht, um sich an einen anderen Ort zu begeben. TKR21 ist eine Erinnerungskapsel, die Passant*innen in die Vergangenheit transportiert. Von der Schottstraße aus ist TKR21 offen und über zwei Stufen zugänglich, auf der Rückseite gelangt man direkt in den Innenraum. Die Öffnungen bieten Sichtachsen zu allen am Roedeliusplatz befindlichen historischen Schauplätzen. Außen sind die Betongusswände glatt, innen verputzt und in blassem Farbton gestrichen. Dieser ist der Farbgebung im Inneren der Haftanstalt Hohenschönhausen entnommen. Durch den DDR-typischen Schleppputz, der hier in feiner Ausführung im Innenraum verwendet wird erzeugt dieser Raum trotz der Wandöffnungen eine starke „Innen“ -Anmutung. In die geweißte Decke sind zwei Leuchtfelder flächig eingearbeitet, die über einen Dämmerungsschalter gesteuert werden. Die dünnen Außenwände von TKR21 erscheinen im Vergleich zur Wirkung der deutlich massiveren Wandscheibe sehr fragil.
Die tragende Wandscheibe ist aus Gusseisen gefertigt – ein Material das wegen seiner Härte und Sprödigkeit gewählt wurde. Zur Schottstraße hin sind in erhabener Schrift (Akzidenz) Straftatbestände aufgeführt, die zwischen 1945 und 1989 laut jeweils geltender Rechtsauffassung der Sowjetischen Militärverwaltung bzw. der Deutschen Demokratischen Republik geahndet wurden. Auch ohne über juristische Kenntnisse zu verfügen ist nachvollziehbar, dass es sich um politische Straftatbestände handelt, die Menschen zwischen 1945 und 1989 ins Zuchthaus oder Gefängnis bis hin zur Todesstrafe bringen konnten. Dabei ist anhand der Jahreszahlen eine deutliche Verschärfung der geltenden Straftatbestände abzulesen, die eine immer größere Willkür ermöglichte. Auf der nach Innen gewandten Seite der Wandscheibe sind über 80 im Partizip II gebildete Verben vertieft eingearbeitet. Dabei handelt es sich um Verben in Passivform – es wird mit einem/r (Gefangenen) etwas gemacht (vollzogen). Ehemalige politische Häftlinge schildern in ihren Zeitzeug*innen-Berichten unter häufiger Nutzung genau dieser Verben ihre erlittenen Zustände während der Haft. So ist in diesen Baukörper die Geschichte des Roedeliusplatzes zweifach eingeschrieben: als erhabener Text historische Straftatbestände (Gesetz) und vertieft gearbeitet die daraus resultierenden Konsequenzen für Menschen. Es handelt sich durchweg um entwürdigende körperliche und traumatisierende seelische Erfahrungen, die die am Roedeliusplatz ansässigen staatlichen Institutionen der DDR ermöglichten, praktizierten, duldeten und gezielt einsetzten. Unausgesprochen wird in TKR21 auch ein gedanklicher Raum zu weiteren Fragen hin eröffnet: wie konnten solche Straftatbestände festgeschrieben werden, wie haben die Menschen, die sich der Sicherung der damaligen Systeme verschrieben hatten ihre Arbeit aufgefasst und durchgeführt, welche Methoden der Überwachung wurden installiert und betrieben sowie welche Rolle spielte die Gerichtsbarkeit in dieser Konstellation? Eine Legislative, eine Judikative und eine Exekutive, welche der politischen und ideologischen Maßgabe und Direktive klar nachgeordnet sind und nicht unabhängig agieren können, ermöglichen systematische Verletzung von Grundrechten. Die Vermittlung der weiteren und komplexen historischen Zusammenhänge auf dem Roedeliusplatz werden durch die Beschilderungen der umliegenden Gebäude/ Gedenkstätten sowie durch die dort integrierte Funktion der Berlin History App gewährleistet. Das dezente Anbringen der Widmung ist an der Außenwand Richtung Kirche in vertiefter, mit Blei getriebener Schrift denkbar.
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