Teil I – Der Elch auf dem Eis

Projektionen spielen in meiner Familie eine große Rolle. Väterlicherseits und mütterlicherseits strandete sie in Niedersachsen. Ich wuchs auf umgeben von Dialekten, Geschichten und Orten, die sonst nicht vorkamen. Seit 2004 gehe ich diesen Projektionen auf die Vergangenheit immer weiter nach.

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The moose on the Ice, 2004, photo montage, 60 x 40 cm

 

Ich fahre zum ersten Mal nach Litauen, der Heimat meines Großvaters.
Ich stelle einen Elch auf eine Eisscholle, die auf der Memel treibt.

 

Ziel war ein Bild zu inszenieren, von dem der Großvater wieder und wieder erzählt hat: Im Frühjahr, als das Eis auf der Memel schmolz, hat er einen Elch gesehen, der brüllend vor Angst auf einer Eisscholle dahin trieb.

Dieses Bild hat sich eingeprägt. Es ist zu Metapher geworden für die persönliche Verwicklung eines Mannes, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Entscheidungen getroffen hat, die für seine Familie heute noch nachwirken.

Etwas haben, es wieder verlieren, einen Ort finden, sind in der Familie bis heute schwierige und zentrale Themen. Auf der Suche nach einem „eigenen“ Ort, der einerseits nichts mit Litauen zu tun hat und doch untrennbar mit der Geschichte der Familie verbunden ist, habe ich im Januar 2005 in Litauen an der Realisierung dieses Bildes gearbeitet. Ich war noch nie dort, dennoch war mir das Land, die Mentalität und die Landschaft durch die wiederholten Erzählungen meines 1990 verstorbenen Großvaters seltsam vertraut. Dieser Projektion auf ein „Heimatgefühl“, der Biographie des Großvaters und somit einem Teil meiner Identität bin ich dort auf einer ersten Reise auf den Grund gegangen.

Das Projekt „Der Elch auf dem Eis“, Teil 1 wurde gefördert von der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen