Bundesarchiv

Entwurf für Neugestaltung Eingangsbereich und Innenhof des Erweiterungsbau des Bundesarchivs in Berlin-Lichterfelde. Zusammenarbeit mit Landschaftsarchitekten Wood/Kalnoky, GB.
Wer bestimmt, was aufgehoben wird? Welche Kriterien führen dazu, dass gewisse Zeugnisse nicht archiviert werden? Wie sind die Zugänge zu den Dokumenten organisiert?

Kunst am Bau Wettbewerb – Entwurf:
Wer bestimmt, was aufgehoben wird? Welche Kriterien führen dazu, dass gewisse Zeugnisse nicht archiviert werden?
Welche Strukturen werden angewendet, um diese großen Mengen an Dokumenten zu verwalten?
Wie sind die Zugänge zu den Dokumenten organisiert? Wer findet sich darin zurecht?

 

skizzehof

Visualisierung: Schnitt durch Innenhof

 

regalweiss

Visualisierung: Regal mit archivierten Skulpturen aus dem öffentlichen Raum

 

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Visualisierung: Grundriss mit vorgeschlagender Pflasterung, Bepflanzung und Platzierung Regal

 

haupteingang

Visualisierung: Eingangsbereich

 

Labyrinth – Raster – Regal

Voraussetzungen: Das Bundesarchiv sammelt Dokumente der deutschen Geschichte von 1815 bis in die Gegenwart. Auch an der Architektur des neuen Gesamtensembles werden Schichten dieser historischen Abschnitte sichtbar: kaiserlich-preußische Kadettenanstalt, Schule, Polizeikaserne, Kaserne einer Sondereinheit der SS, Kaserne der amerikanischen Alliierten bis 1994. Die Spuren dieser Nutzungen manifestieren sich in unterschiedlichem Maße. Kaum sichtbar ist hingegen, was sich in diesem vielschichtigen Gebäudekomplex an verschiedensten Dokumenten verbirgt: katalogisiert, verschlagwortet, den wissenschaftlichen Forschungen zugänglich gemacht – ein scheinbar unüberschaubares Konvolut an Zeugnissen.

Grundidee: Die Visualisierung von und der Zugang zu Geschichte

Die eingelagerten und archivierten Dokumente im Bundesarchiv werden, einmal für wertig befunden, gesichert und einer Struktur unterworfen, die maßgeblich dafür bürgt, dass Nutzer etwas finden.

Für uns drängen sich hier drei eng zusammenhängende komplexe Fragen auf, die wir anhand von drei Ansätzen auf dem Gelände des Bundesarchivs sichtbar machen wollen:

1. Wer bestimmt, was aufgehoben wird? Welche Kriterien führen dazu, dass gewisse Zeugnisse nicht archiviert werden?
2. Welche Strukturen werden angewendet, um diese großen Mengen an Dokumenten zu verwalten?
3. Wie sind die Zugänge zu den Dokumenten organisiert? Wer findet sich darin zurecht?

Zu 1. Stahlregale mit gelagerten Skulpturen, Maße variabel [ca. 6 x 12 x 1,50 m], die sukzessive mit Reproduktionen und/oder originalen Skulpturen/ Denkmälern aus dem öffentlichen Raum bestückt werden

Erläuterung: In städtischen Räumen gibt es Spuren verschiedenster Epochen, die umgesetzt, über-, rückgebaut oder gänzlich entfernt werden. Reminiszenzen der Geschichte sind so oft nur schwer oder gar nicht mehr sichtbar.

Uns stellte sich die Frage, wo künstlerische Zeugnisse im öffentlichen Raum verbleiben wenn sie aus politischen, städtebaulichen oder anderen Gründen abgebaut werden. In welchen Archiven landen diese „Dokumente“? Inspiration für diesen Ansatz waren die zwei Pfeiler am derzeitigen Eingang zum Gelände, deren historisches „Gesicht“ [zwei stilisierte SS-Wärterfiguren] von den US-Militärs mit Beton verdeckt wurde. Diese Pfeiler werden exemplarisch vor dem neuen Zugang des Archivs übereinander liegend in einem Regal aufgestellt, zuvor wird die schon poröse Betonschicht entfernt.

Für die Bestückung der Regale im Innenhof wird mit Bau- und Liegenschaftsämtern in Städten bundesweit kooperiert. Abgüsse, Originale, Bilder von Skulpturen der vergangenen Jahrhunderte bis hin zu kürzlich entfernten Denkmälern sollen hier eingestellt werden, die Regale füllen sich sukzessive immer weiter.

An der Frage nach skulpturalen Zeitspuren, ihrem Verbleib und den Umgang mit ihnen lassen sich Fragen ableiten, die auch für andere Dokumente der Geschichte virulent sind: Wer bestimmt, was archiviert wird? Wo wird es wie gelagert und wem zugänglich gemacht?

Zu 2. Aufnahme der Raster-Pflasterung des ehemaligen Appellplatzes, kontinuierliche Verfeinerung des Rasters entlang des Fußweges, über den Haupteingang bis in den Innenhof hinein.

Erläuterung: Der derzeit als Parkplatz genutzte Vorplatz sollte unserer Empfehlung nach wieder in seinen ursprünglichen Zustand rückgeführt werden [Entfernung der Bepflanzungen und der eingesetzten Betonelemente]. Verkleinerte Fortführung des Rasters mit Ziegel- und Pflastersteinen bereits seitlich des heutigen Parkplatzes, weiter entlang des Gebäudes Nr. 906, einem Original-Gebäude der ursprünglich kaiserlich-preußischen Kaserne. Fortführung des Rasters über die Treppe, weitere Reduzierung der Größe des Rasters im Innenhof neuen Gebäudekomplexes. Für den Boden des Innenhofes werden nun andere Materialien eingesetzt: solche, die im Archiv bei digitaler Lagerung Verwendung finden [Material von Speichermedien]: Bänder von Metalllegierungen in Kombination mit Pflastersteinen.

Das Raster wird von seiner monströsen Größe des ehemaligen Appellplatzes zwar aufgenommen, durch die Minimierung der Größe und der Referenz der verwendeten Materialien aber wieder zu dem, was es auch ist: eine [grundsätzlich hilfreiche] Struktur, unerlässlich zumal in einem Archiv. Zum einen folgen die Besucher dem Raster bis ins Gebäude hinein, vorbei an den Zeugnissen anderer Bauepochen – entsprechend verändert sich dann die Zusammensetzung und Farbigkeit desselben, zum anderen wird hier eine weitere Frage aufgegriffen:

Was bedeutet die den Zeugnissen oktroyierte Struktur, die beispielweise eine Verschlagwortung mit sich bringt?

Zu 3. Labyrinth aus Hecken [Buchsbaum, Kastenlinde, Eibenhecke] und Regalen im Innenhof.

Erläuterung: Die Verwendung des Motivs Labyrinth bezieht sich sehr direkt auf die Tätigkeit des Suchens und Findens in einem Archiv – mal weiß man sehr konkret, nach welchen Dokumenten man sucht, mal ergeben sich durch eher ungewollte Funde ungeahnte Einblicke in vergangene Zeiten. In jedem Fall begibt man sich in eine Art Labyrinth, die Mitarbeiter legen die roten Fäden aus und weisen den Suchenden die Fährten. Die Regale sind teilweise sichtbar, allerdings: sich ihnen nähern und sie genau inspirieren kann man nur, wenn man sich in das Labyrinth hinein begibt.

Archive sorgen für den Erhalt und die Manifestation einer [Kultur-] Gesellschaft, in dem sie ihre Zeugnisse schützen, zusammenfassen, aufbewahren und sie nachfolgenden Generationen zugänglich machen, die sonst dem Sichtfeld und oft genug aus dem Bewusstsein einer Gesellschaft entschwinden. Die großen Regale, gefüllt mit ursprünglich aus öffentlichen Räumen stammenden Bildwerken visualisieren die Ambiguitäten dieser Bemühungen. So können Besucher und Nutzer des Bundesarchivs die Frage nach dem Zugang und den Ergebnissen ihrer Suche auf ihre Tätigkeit im Bundesarchiv und die dort gelagerten Dokumente übertragen.

Schlussbemerkungen:
Es geht uns um ein Gesamtkonzept aus mit Skulpturen bestückten Regalen, gewachsenem Labyrinth und gepflastertem Raster, welches die Besonderheiten der historischen und zeitgenössischen Bausubstanz sowie die neue Funktion des Ortes weniger kommentiert, als sie jeweils für sich sprechen lässt.